Im Eiltempo hat der Gesetzgeber das „Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei der durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz“ (abgekürzt „COVInsAG“) verabschiedet. Das Gesetz trat am 27.03.2020 in Kraft. Gesetzgeberisches Ziel ist es, an sich gesunde Unternehmen mit einem stabilen Geschäftsmodell, bei denen die Insolvenz (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) auf die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist, vor insolvenzbedingten Risiken zu schützen. Daneben sollen auch Geschäftsführer, Gesellschafter, Geschäftspartner und kreditgebende Banken geschützt werden.
1. Ausgangslage
Eine Vielzahl wirtschaftlicher Rettungsmaßnahmen wurde durch Bund und Länder bereits beschlossen, um die Unternehmen vor den Folgen der COVID-19-Pandemie zu schützen. Zu nennen sind insbesondere die Lockerung und Aufstockung des Kurzarbeitergeldes, eine Vielzahl von Kreditprogrammen sowie Steuerstundungen. Nach der bisherigen Rechtslage mussten die Geschäftsführer einer GmbH spätestens innerhalb von 3 Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der GmbH einen Insolvenzantrag über das Vermögen der GmbH stellen, um nicht dem Risiko der strafrechtlichen Insolvenzver-schleppung ausgesetzt zu sein. Bei verspäteter Insolvenzantragstellung konnten die Geschäftsführer darüber hinaus für Zahlungen, die nach Eintritt der Krise geleistet wurden und nicht mit der Sorgfalt des ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind, zivilrechtlich persönlich durch den Insolvenzverwalter in Haftung genommen werden. Geschäftspartner und Gläubiger unterlagen insolvenzbedingten Risiken, insbesondere aus Insolvenzanfechtung durch den Insolvenzverwalter. Gesellschafterdarlehen waren grundsätzlich nachrangig, das heißt im Insolvenzverfahren erst nach den übrigen Insolvenzgläubigern zu berücksichtigen.
2. Neuregelung durch das COVInsAG
Diesen rechtlichen Risiken für Geschäftsführer, Gesellschafter, Geschäftspartner/Gläubiger und Banken will der Gesetzgeber durch erhebliche Änderungen im Insolvenzrecht begegnen. Das Gesetz besteht im Wesentlichen aus:
- der Aussetzung der strafrechtlichen Insolvenzantragspflicht bis zum 30.09.2020 („Aussetzungszeitraum“) bei coronabedingter Insolvenz,
- der Einschränkung der zivilrechtlichen Geschäftsführerhaftung für Zahlungen bei Insolvenzreife im Aussetzungszeitraum,
- der Einschränkung der Insolvenzanfechtungsgefahren für Gläubiger/Geschäftspartner und der Haftung für Kreditgeber bei Neukrediten,
- der Aussetzung des Nachrangs für im Aussetzungszeitraum gewährte Gesellschafterdarlehen und deren Sicherheitenstellung.
3. Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
Die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags wird grundsätzlich bis zum 30.9.2020 ausgesetzt. Nur wenn Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nicht auf den Folgen der COVID-19-Pandemie beruhen oder wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen, greift die Aussetzung ausnahmsweise nicht. Insofern ist der Insolvenzgrund der Überschuldung bis zum 30.09.2020 bei der Pflicht zur Insolvenzantragstellung grundsätzlich suspendiert, da der Gesetzgeber nur auf die Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit abstellt.
4. Einschränkung der Geschäftsführerhaftung
Soweit die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags ausgesetzt ist, gelten Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere solche Zahlungen, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen, als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmanns vereinbar. Nur Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, sind aber dabei haftungsprivilegiert und können durch den späteren Insolvenzverwalter gegen den Geschäftsführer nicht geltend gemacht werden.
5. Einschränkung der Insolvenzanfechtung
Bei eingetretener Insolvenzreife besteht für Gläubiger und Vertragspartner das erhöhte Risiko, erhaltene Leistungen und Zahlungen in einem späteren Insolvenzverfahren infolge einer Insolvenzanfechtung wieder herausgeben zu müssen. Das kann die Aufrechterhaltung von Geschäftsbeziehungen zum Schuldner gefährden. Das COVInsAG schränkt daher generell die Anfechtung von Rechtshandlungen ein, die dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben.
6. Aussetzung des Nachrangs bei Gesellschafterdarlehen
Das COVInsAG gibt den Gesellschaftern einen erheblichen Anreiz, sich an der Finanzierung der Gesellschaft zur Überwindung der coronabedingten Krise zu beteiligen. Gesellschafterdarlehen erhalten durch das COVInsAG in der Insolvenz eine deutliche Aufwertung, indem sowohl die Anfechtbarkeit der Rückführung von Neugesellschafterdarlehen und die Nachrangfolge eingeschränkt wird.