Die Immobilie trotz laufendem Insolvenzverfahren

Die Immobilie im Insolvenzverfahren ist ein Dauerbrenner. Die eigenen vier Wände halten viele SchuldnerInnen oft davon ab, ein Insolvenzverfahren einzuleiten. Dabei muss ein laufendes Insolvenzverfahren keinesfalls den Abschied vom trauten Heim bedeuten.

Brisant wird es nämlich nur dann, wenn die Immobilie eine sogenannte „freie Spitze“ aufweist. Soll heißen, dass der auf dem freien Markt zu erzielende Wert höher liegt als die Valuta der eingetragenen Immobiliarsicherheiten. Der Insolvenzverwalter kann dann nämlich die Immobilie verkaufen bzw. zwangsversteigern (§ 165 InsO) und den Überschuss zur Masse ziehen.

Steht ein Haus im (Mit)eigentum des Insolvenzanwärters, sollte man sich in jedem Fall zuvor einen Plan zurechtlegen, bevor man ein Insolvenzverfahren vorschnell einleitet. Folgende Vorgehensweise hat sich dabei bewährt:

1. Ermittlung der aktuellen (Verkehrs)wertes

In den letzten zehn Jahren haben sich die Immobilienpreise mehr als verdoppelt. Die Gefahr, dass eine freie Spitze existiert, weswegen der Insolvenzverwalter den Verkauf der Immobilie durchsetzen kann, ist daher öfter gegeben. Häuser werden oftmals, gerade in guten Lagen, weit über dem Marktwert veräußert bzw. versteigert. Hilfreich ist daher, sich einen Experten für die Preisermittlung mit ins Boot zu nehmen und bestenfalls sogar ein Gutachten erstellen zu lassen, welches im späteren Insolvenzverfahren als Grundlage für die Verhandlungen mit dem Insolvenzverwalter dient. Werden alle Mängel des Eigenheimes und ein eventueller Renovierungsstau im Gutachten erfasst, kann man auch hohe Preise erheblich reduzieren, das macht die Verhandlungen mit dem Insolvenzverwalter weitaus einfacher.

2. Erfragen des aktuellen Schuldenstandes

Die grundbuchrechtlich gesicherten Gläubiger müssen nach dem aktuellen Schuldsaldo befragt werden. Denn nicht die eingetragene Grundschuld ist für die weitere Berechnung relevant, sondern einzig und alleine die noch offene gesicherte Darlehensvaluta, die die Grundschuld sichert.  Anders als eine streng akzessorische Hypothek ist eine Grundschuld nämlich vom Bestand und der Höhe der zugrunde liegenden gesicherten Forderung unabhängig. Es ist daher nicht selten, dass sich im Grundbuch noch Sicherheiten eingetragen finden, die längst zu löschen sind.

Sind im Grundbuch (Abteilung III) mehrere Gläubiger eingetragen, so müssen alle im Hinblick auf noch offene Schulden angeschrieben werden. Auch Zwangshypotheken sind Sicherungsrechte, und deren Gläubiger sind ebenso miteinzubeziehen.

 

3.  Errechnen der freien Spitze

Sind alle Forderungen der gesicherten Gläubiger bekannt, so sind in einem dritten Schritt die Werte der noch offenen besicherten Forderungen zu addieren. Diese Summe ist wiederum von dem ermittelten Verkehrswert zu subtrahieren.  Ist das Ergebnis > 0, ist eine freie Spitze gegeben und es droht die Gefahr der Verwertung der Immobilie im Insolvenzverfahren.  Ist hingegen die Summe der Belastungen höher als der taxierte Verkehrswert, besteht keine Gefahr, der Insolvenzverwalter gibt die Immobilie in aller Regel dann aus der Insolvenzmasse frei.

Steht die streitbefangene Immobilie im Eigentum zweier oder mehrerer Personen, so ist auch nur der Anteil des das Insolvenzverfahren anstrebenden Eigentümers für die Auslösezahlung von Bedeutung. Weist also ein im Eigentum zweier Ehegatten stehendes Haus eine freie Spitze von 100.000 € aus und möchte nur die Ehefrau das Insolvenzverfahren einleiten, so fällt auch nur eine Summe von 50.000 € in deren Insolvenzmasse.

Aber auch für den Fall einer freien Spitze kann ein Insolvenzverfahren eingeleitet werden. SchuldnerInnen können proaktiv auf den Insolvenzverwalter zugehen und eine Vergleichszahlung zur Ablöse aushandeln. Der Verwalter ist dann gehalten, von der Verwertung abzusehen und die (Raten)zahlung zu akzeptieren, sofern hierbei keine Nachteile der Masse entstehen und SchuldnerInnen glaubhaft machen, dass sie zur Zahlung der Auslöse, ggfls. in Raten, imstande sind.  Ein von dem/der SchuldnerIn vor der Verfahrenseröffnung erstelltes Gutachten ist zwar für den Insolvenzverwalter nicht bindend, kann aber durchaus als Grundlage für Verhandlungen herangezogen werden.

4. Weiterzahlen laufender Immobiliendarlehen

Wäre nur die freie Spitze an den Insolvenzverwalter auszulösen, so könnte manche Immobilie vor der Versteigerung bzw. dem Verkauf gerettet werden.  Beachtet werden muss jedoch, dass die Kreditraten der eingetragenen Grundschuldgläubiger auch im laufenden Insolvenzverfahren weiterhin bezahlt werden. Geschieht dies nicht, kann auch jeder Grundschuldgläubiger die Zwangsversteigerung der Immobilie einleiten, auch wenn keine freie Spitze vorhanden und die Immobilie eigentlich wertausschöpfend belastet ist. Werden also die laufenden Kreditraten der gesicherten Banken im Insolvenzverfahren nicht mehr bezahlt, so wird zumindest die erstrangig eingetragene Bank schnellstens das Zwangsversteigerungsverfahren einleiten.

Schließlich kann die Bank wegen § 490 Abs.1 BGB bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein (Immobilien)Darlehen außerordentlich wegen Vermögensverschlechterung kündigen. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist nämlich eine solche „Vermögensverschlechterung“. Spätestens nach der Verfahrenseröffnung ist ein Darlehen automatisch fällig und das Versteigerungsverfahren könnte eigleitet werden, § 41 InsO. Es sollte daher auch bereits vor der Verfahrenseinleitung mit der Bank geklärt werden, ob das Darlehen auch nach Insolvenzeröffnung bei konstanter Weiterzahlung der Darlehensraten fortgeführt wird. Dies kann, muss aber nicht der Fall sein. Auch die Mithaftung bzw. das Hinzutreten eines weiteren (solventen) Schuldners bzw. eines Bürgen kann hier wahre Wunder bewirken.

5. Zusammenfassung

Es ist durchaus möglich, die Immobilie im Insolvenzverfahren auch weiterhin zu behalten. Angesichts rasant steigender Immobilienpreise, auch auf dem flachen Land, wird dies aber zunehmend schwieriger. Die Entschuldung via Insolvenzverfahren mit einer im Eigentum des/der SchuldnerIn stehenden Immobilie muss aber gut vorbereitet und durchdacht sein. So müssen sowohl laufende Darlehensraten weiterhin bedient und ggfls. weitere mithaftende Sicherungsgeber akquiriert werden. Ebenso müssen im Fall einer freien Spitze finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, um eine Auslösezahlung an den Insolvenzverwalter zu leisten. Jener kann nämlich im schlimmsten Fall gegen den Willen des/der SchuldnerIn die Immobilie versteigern (lassen), § 165 InsO. Baufällige und renovierungsbedürftige Liegenschaften mit wertausschöpfenden Belastungen haben die höchsten Chancen, im Insolvenzverfahren unangetastet zu bleiben. Der Verkauf der hoch verschuldeten Immobilie und der Bezug einer günstigeren Mietwohnung sind jedoch, verbunden mit der Erteilung der Restschuldbefreiung, in nicht wenigen Fällen auf lange Sicht die bessere Alternative.