Unterhaltsforderungen im Insolvenzverfahren

Das Ziel eines Insolvenzschuldners ist es, die Restschuldbefreiung zu erhalten. Damit ist gemeint, dass der Schuldner am Ende des Insolvenzverfahrens, der sogenannten Wohlverhaltensphase, von allen Verbindlichkeiten, die zum Zeitpunkt der Antragstellung bestanden und am Ende immer noch bestehen, befreit wird.

Wird die Restschuldbefreiung am Ende des Insolvenzverfahrens versagt, § 300 Abs. III InsO, können die Gläubiger nach Aufhebung des Verfahrens gegen den Schuldner im Rahmen von Vollstreckungsmaßnahmen (Einzelzwangsvollstreckung) vorgehen, als hätte es das Insolvenzverfahren nicht gegeben.

Unterhaltsforderungen von Verwandten in gerader Linie gem. § 1601 BGB (Kinder, Enkelkinder, Eltern) sowie von Ehegatten gegenüber dem Schuldner, können eine Erteilung der Restschuldbefreiung zwar nicht verhindern. Unter gewissen Voraussetzungen können solche Forderungen jedoch von der Restschuldbefreiung ausgenommen sein. In solch einem Fall kann ein Unterhaltsgläubiger trotz Restschuldbefreiung gegen den Schuldner zwangsvollstrecken.

Auch wenn also eine im Insolvenzverfahren angemeldete Unterhaltsforderung die Erteilung der Restschuldbefreiung nicht verhindern kann, können die Auswirkungen für den Schuldner fast genauso schwerwiegend sein, wie eine Versagung der Restschuldbefreiung.

1. Von der Restschuldbefreiung ausgenommene Forderungen

In § 302 InsO ist geregelt, welche Forderungen von der Restschuldbefreiung ausgenommen sein können. In diesem Artikel geht es gem. § 302 Nr. 1, 2. Var. InsO ausschließlich um:

rückständigen gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht geleistet hat.

Hierbei sind grds. zwei Varianten denkbar:

a) § 170 StGB

Vorsätzlich pflichtwidrig hat der Schuldner jedenfalls dann seine Unterhaltspflicht verletzt, wenn er den Straftatbestand des § 170 StGB erfüllt hat. Hierzu muss es dem Schuldner wirtschaftlich möglich gewesen sein, Unterhalt zu zahlen. Wenn er sich vorsätzlich in eine wirtschaftliche Situation gebracht hat, die es ihm unmöglich macht, seiner Zahlungsverpflichtung nachzukommen, so ist diese Voraussetzung ebenfalls erfüllt. Hiervon wird ausgegangen, wenn er z.B. nur halbtags arbeitet, obwohl es ihm zumutbar ist, einer Vollzeitbeschäftigung nachzugehen oder er sein Vermögen verschenkt o.Ä.

Zusätzlich muss der Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten durch die Nichtzahlung des Schuldners gefährdet sein. Dies ist auch der Fall, wenn der Lebensunterhalt nur deshalb nicht gefährdet ist, weil dieser durch Dritte gesichert wird. In der Praxis verhindern Zahlungen der Sozialbehörde häufig eine solche Gefährdung des Gläubigers.

Liegt eine solche Straftat vor, wird eine entsprechend im Insolvenzverfahren angemeldete Forderung, siehe unten, festgestellt und ist von der Restschuldbefreiung ausgenommen, § 302 InsO.

b) § 302 Nr. 1 InsO

Seit dem 01.07.2014 muss ein Unterhaltsgläubiger nicht mehr eine Straftat des Schuldners nachweisen, damit seine Forderung von der Restschuldbefreiung ausgenommen wird. Es reicht die Feststellung aus, dass der Schuldner seiner Zahlungspflicht „vorsätzlich pflichtwidrig“ nicht nachgekommen ist. Wann dies der Fall sein soll, wird unterschiedlich gesehen.

Einigkeit bestehet jedenfalls, dass es nicht wie bei § 170 StGB darauf ankommt, ob der Lebensbedarf des Gläubigers gefährdet ist. Nach der Begründung zum Regierungsentwurf soll der Tatbestand erfüllt sein, wenn der Unterhaltsberechtigte bedürftig, der Schuldner leistungsfähig ist und er hiervon Kenntnis hat. Einigkeit herrscht auch insoweit, als eine fehlende Leistungsfähigkeit des Schuldners nicht zu einer Verletzung der Unterhaltspflicht führt.

2. Weitere Voraussetzungen für das Feststellen der Forderung als vorsätzlich pflichtwidrig

Ein Gläubiger, der sicherstellen möchte, dass seine Forderung von der Restschuldbefreiung des Schuldners ausgenommen ist, muss diese gem. § 174 Abs. II InsO beim Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle anmelden. Dabei genügt es nicht, einfach nur mitzuteilen, dass die Forderung aus einer vorsätzlich pflichtwidrigen Handlung stamme.

Vielmehr muss der Gläubiger die Tatsachen schriftlich mitteilen, aus denen sich seiner Meinung nach die Einordnung als „vorsätzlich pflichtwidrige Handlungergibt.

3. Wie wehre ich mich gegen eine solche Forderung?

Damit der Rechtsgrund „vorsätzlich pflichtwidrige Handlung“ nicht tituliert und die Forderung tatsächlich von der Restschuldbefreiung ausgenommen wird, muss der Schuldner Widerspruch einlegen, worauf er vom Insolvenzgericht gem. § 175 Abs. II InsO hinzuweisen ist.

Diesen Widerspruch, der in der Insolvenztabelle eingetragen sein muss, um Wirkung zu entfalten, kann ein Gläubiger nur mit einer sog. Feststellungsklage gem. § 184 InsO beseitigen.  Zuständig für eine solche Feststellungsklage ist gem. § 231 Abs. I FamFG das Familiengericht.

Unglücklicherweise soll es für einen Gläubiger für dessen Erhebung einer Feststellungsklage keine Frist geben, so dass der Schuldner leider nicht rechtssicher weiß, ob und wann die angemeldete Forderung von der Restschuldbefreiung ausgenommen sein wird.

Um diese langanhaltende Unsicherheit auszuräumen, kann der Schuldner selbst Klage erheben. Dabei beantragt er, mit der sogenannten negativen Feststellungsklage, festzustellen, dass die angemeldete Forderung nicht aus einer vorsätzlich pflichtwidrigen Handlung stammt.

4. Unterhaltspflicht nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Problematisch sind für den Schuldner überdies die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehenden Unterhaltsverpflichtungen. Diese nehmen an dem zuvor beantragten und eröffneten Insolvenzverfahren nicht teil, weshalb der Schuldner für diese Zahlungsverpflichtungen auch keine Restschuldbefreiung erhalten kann. Für diese Verpflichtung kommt es also schon gar nicht darauf an, ob die Nichtzahlung pflichtwidrig war.

Dies birgt eine besondere Gefahr für den Schuldner, da Unterhaltsgläubiger im Rahmen einer Einkommenspfändung noch mehr pfänden können, als es die gesetzlich festgelegten Pfändungsfreigrenzen vorsehen. Hier droht dem Schuldner, dass sein Einkommen  auf Antrag des Gläubigers  bis auf den Sozialhilfesatz, der sich am Regelbetrag von Arbeitslosengeld II orientiert, gepfändet wird.

Auch in solchen Fällen sollte anwaltlicher Rat eingeholt werden, um Pfändungen durch eine entsprechende Antragstellung zu verhindern, zumindest jedoch die Höhe des pfändbaren Betrags zu verringern.