Überschuldung bei Start-Up Unternehmen und Gründern durch COVID 19

Seit dem 30.04.2021 gilt die Insolvenzantragspflicht für Kapitalgesellschaften wieder uneingeschränkt, auch wenn die Krise für viele Unternehmen noch spürbar ist. Gerade auch die Start-Up und Gründerszene wurde von der Pandemie stark getroffen, verfügen diese Gesellschaften doch meistens nur über eingeschränkte finanzielle Mittel bzw. Kapital.

Insolvenzantragsverpflichtet sind Unternehmen, welche (drohend) zahlungsunfähig sind, d.h. voraussichtlich bzw. nicht mehr in der Lage, ihre fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen oder Unternehmen, welche überschuldet sind.

Der Insolvenzgrund der Überschuldung bedarf bei Start-Ups bzw. Gründern der näheren Betrachtung, da sich zu Beginn getätigte Investitionen erst „über die Jahre rechnen“ und diese Unternehmen häufig zu Beginn bilanziell überschuldet sind. Dies ist in der Regel auch kein Problem, solange eine positive Fortführungsprognose vorliegt.

Der Gesetzgeber und auch die Gerichte haben in der Zwischenzeit auf die Krise reagiert und sowohl die Gesetze als auch ihre Rechtsprechung entsprechend angepasst. So muss beispielsweise die Fortführung des Unternehmens nur noch in den nächsten zwölf Monaten überwiegend wahrscheinlich sein und nicht mehr für mehrere Jahre.

Das OLG Düsseldorf hat nunmehr in einem Beschluss vom 20.07.2021 – 12 W 7/21 entschieden, dass bei einem Start-Up Unternehmen die Grundsätze der Überschuldungsprüfung, die der Bundesgerichtshof (BGH) aufgestellt hat, nicht uneingeschränkt anwendbar sind. Vielmehr ist erforderlich, dass das Unternehmen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in der Lage ist, seine im Prognosezeitraum fälligen Zahlungsverpflichtungen zu decken, wobei die dafür erforderlichen Mittel auch von Dritten (Fremdkapitalgeber oder Eigentümer) zur Verfügung gestellt werden können.

Hat ein finanzkräftiger Investor das Unternehmen bereits in der Vergangenheit mit erheblichen Beträgen finanziell unterstützt und seinen Willen bekundet, in der Gründungsphase jeweils weitere Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, darf der Geschäftsführer von einer positiven Prognose ausgehen, solange ein nachvollziehbares operatives Konzept vorliegt, das irgendwann eine Ertragsfähigkeit des Unternehmens erwarten lässt.

Im Umkehrschluss heißt das, dass die Prognose erst dann negativ ist, wenn der Finanzierer das Start-Up Unternehmen nicht weiterfinanzieren wird.

Im konkreten Einzelfall – den das OLG zu entscheiden hatte – wurde das Unternehmen im Jahr 2014 gegründet und wurde Ende 2016 das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Start-Up Unternehmen investierte erhebliche Beträge in die Entwicklung einer Software und finanzierte sich von Beginn an im Wesentlichen über Darlehen eines Investors. Sämtliche Darlehen waren bis zum 31.12.2017 befristet und erst danach zurückzuzahlen. Bis Ende 2015 beliefen sich die Darlehensforderungen auf insgesamt 600.000 €. In dem am 13.10.2015 festgestellten Jahresabschluss der Schuldnerin zum 31.12.2014 wurde ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag in Höhe von rund 125.000 € ausgewiesen, womit eigentlich die Gesellschaft von Beginn an bilanziell überschuldet war – über stille Reserven verfügte das Unternehmen nicht. Das Unternehmen machte im Prozess geltend, dass es nicht im insolvenzrechtlichen Sinne überschuldet gewesen sei, da der Investor bereit gewesen sei, das Unternehmen zu finanzieren, solange die Planungen realistisch erschienen, was bis kurz vor Insolvenzantragstellung Ende 2016 auch der Fall gewesen sei.

Das Gericht folgte der Argumentation des Unternehmens. Die rechnerische Überschuldung war unstreitig und bei einem Start-Up-Unternehmen, das in der Anlaufphase in aller Regel nur Schulden produziert, ist eine ständige, intensive Prüfung der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens in besonderem Maße erforderlich. Start-Up Unternehmen sind in einer - mehr oder weniger langen - Anfangsphase meist nicht ertragsfähig. Es liegt in der Natur eines solchen Unternehmens, dass es zunächst nur Schulden macht und von Darlehen abhängig ist. In diesen Fällen muss daher auf die Zahlungsfähigkeit im Prognosezeitraum abgestellt werden, wobei die erforderlichen Mittel auch von Dritten (Fremdkapitalgeber oder Eigentümer) kurz-, mittel- oder langfristig zur Verfügung gestellt werden können.

Zusammenfassend bleibt auch das Start-Up Unternehmern bzw. der Gründer weiterhin verpflichtet, seiner Insolvenzantragspflicht nachzukommen. Es ist jedoch anzuraten, ein nachvollziehbares operatives Konzept vorliegen zu haben, dass die geplante Etablierung am Markt als erfolgversprechend - d.h. irgendwann ertragsfähig - erscheinen lässt. Gibt es aufgrund der Finanzierungszusage von Investoren eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass das Unternehmen bis dahin in der Lage sein wird, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen aufgrund der Bereitstellung weiterer Finanzierungsmittel zu decken, liegt keine insolvenzrechtliche Überschuldung vor.

Mit frühzeitiger Beratung und Konzeptionierung kann daher eine Insolvenz auch vermieden werden. Eine insolvenzrechtliche Beratung durch einen auf Insolvenzrecht spezialisierten Rechtsanwalt ist ratsam. Die Rechtsanwälte der Mitgliedskanzleien von InsolvenzAnwalt24 haben die notwendige Fachkompetenz.